Antisemitismus an der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle
- Henriette Quade
- vor 4 Tagen
- 13 Min. Lesezeit
Die Kleinen Anfragen und Antworten der Landesregierung hierzu sind am Ende des Beitrags verlinkt.
Nach Angaben des „Jungen Forums der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft Halle-Umland“ (JuFo) wurde am 03. Juni 2024 in den Räumlichkeiten der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle eine Veranstaltung der „Students for Palestine Leipzig“ (SfP Leipzig) mit dem Titel „Zionismus, Judaismus und Anti-Semitismus“ als Livestream gezeigt.[1] Die Veranstaltung war Teil der „Palestine Lecture Series“ von SfP Leipzig, Referent der israelisch-deutsche Soziologe Prof. Dr. Moshe Zuckermann.[2] Letzterer steht schon länger in der Kritik Antisemitismus zu befördern,[3] u.a. durch Vergleiche des Staates Israel mit Nazi-Deutschland.[4] Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main beanstandete 2022 anlässlich einer Veranstaltung mit Zuckermann, dieselbe leiste israelbezogenem Antisemitismus Vorschub und kritisierte Zuckermanns Unterstützung der antisemitischen BDS-Kampagne.[5] Bereits 2020 hatte der Studierendendrat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) Kritik von Studierenden an einer damals an der MLU geplanten, tatsächlich aber abgesagten Veranstaltung mit Zuckermann veröffentlicht.[6]
Ebenfalls in den Räumlichkeiten der BURG wurde wurde am 06. Juni 2024 eine weitere Veranstaltung der „Palestine Lecture Series“ von SfP Leipzig mit dem Titel „Zur Geschichte und Bedeutung der deutschen Staatsräson“ als Livestream gezeigt, Referentin war Iris Hefets von der Gruppierung „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“.[7] Drei Tage nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 – dem größten Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah – verglich die „Jüdische Stimme“ die Ermordung von mehr als 1.000 Menschen durch die Hamas mit einem „Gefängnisausbruch“.[8] „Der Verein ‚Jüdische Stimme‘ irrlichtert zwischen Israelhass und Terrorismusverharmlosung.“, so Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, im März 2024.[9] Die damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau (DIE LINKE), sprach mit Blick auf die Gruppierung davon, „die aktuellen Aktivitäten der ‚Jüdischen Stimme‘ haben eine neues Niveau der Holocaustrelativierung erreicht.“[10] Im März 2024 veröffentlichte das Internationale Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA) eine Analyse der „Jüdischen Stimme“, die sich u.a. mit Gewalt- und Terrorverherrlichung durch die Gruppierung befasst.[11] Ursprünglich sollte die Veranstaltung am 06. Juni 2024 auch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) gezeigt werden, nach Hinweisen an die Rektorate und Kanzler*innen beider Hochschulen untersagte die MLU jedoch die Nutzung ihrer Räumlichkeiten,[12] die BURG reagierte nicht.
Zudem wurden 2024 sowohl ein Banner zum Gedenken an die am 9. Oktober 2019 in Halle (Saale) Ermordeten (entsprechendes Bild liegt der Fragestellerin vor), Plakate aus einer Reihe von Zitaten von Überlebenden des Anschlags 2019[13] sowie ein Plakat zu einem Rundgang zum ehemaligen KZ-Außenlager der Siebel-Werke mit Pro-Palästina-Stickern beklebt.[14] Nach der Fragestellerin vorliegenden Berichten fand im Jahr 2024 insgesamt eine starke Politisierung von Teilen der Studierenden der BURG im Zusammenhang mit der Situation in den palästinensischen Gebieten statt, die sich auch sichtbar auf dem Design-Campus niederschlug (etwa mit Plakaten, Aufklebern, Aufstellern[15]); eine vergleichbar sichtbare Solidarisierung mit den am 7. Oktober 2023 Entführten, den Angehörigen der Ermordeten, den in Israel von der Hamas angegriffenen oder in den palästinensischen Gebieten von der Hamas unterdrückten Menschen wurde nicht wahrgenommen.
Jahresausstellung 2024
Bei der Jahresausstellung der BURG am 13. und 14. Juli 2024 waren an nahezu allen Standorten der Hochschule eine Vielzahl von Plakaten ausgehängt, die teils antisemitische Botschaften enthielten. So war u.a. zu lesen, „Und für die anderen ist es egal, wenn du denen sagst, dass Israel heute wieder 100 Kinder getötet hat.“,[16] oder „Der Krieg findet nicht zwischen Arabern und Juden statt […], sondern ist vielmehr ein israelischer Krieg gegen die ganze Region.“ – Plakate, in denen tradierte antisemitische Stereotype und Erzählungen von vermeintlich Kinder ermordenden, rachsüchtigen und brutalen Jüdinnen und Juden sowie des gleichermaßen dämonisierten jüdischen Staates Israel reproduziert wurden.[17] Ebenfalls zur Jahresausstellung wurden von Unbekannten am Design-Campus der BURG mehrere Graffiti angebracht, u.a. mit der Parole „Antisemiten runter vom Campus!“[18; „Atmosphäre der Angst“, Mitteldeutsche Zeitung, 18.07.2024, Seite 13] Während die BURG die antisemitischen Plakate auf der Jahresausstellung nicht entfernte, wurde die (für die Besucher*innen der Jahresausstellung andernfalls deutlich sichtbare) Botschaft gegen Antisemitismus mit einer eigens gebauten und mit Folie bezogenen Holzkonstruktion verhängt.[19] Hinsichtlich der antisemitischen Plakate führte die Hochschule in einer bis heute online verfügbaren Stellungnahme vom 15. Juli 2024 aus, „Im Rahmen der Jahresausstellung sind alle Standorte der BURG geöffnet, so dass durchaus Eingriffe von Außenstehenden nicht ausgeschlossen werden können, wie z.B. das Hängen von Plakaten […] Der Hochschulleitung ist nicht bekannt, wer diese Plakate in den öffentlich zugänglichen Fluren gehängt hat“.[20] Anhaltspunkte, dass die Plakate tatsächlich von Dritten in ihren Liegenschaften ausgehängt wurden, präsentierte die BURG nicht. Ebenfalls ist der Stellungnahme nicht zu entnehmen, warum diese nicht entfernt wurden. Die Gruppierung „Students for Palestine Halle“ (SfP Halle) schrieb mit Blick auf die Plakate in einem am 27. Juli 2024 bei Instagram veröffentlichten Statement, „Es handelt sich um eine Initiative von Studierenden der Burg und von Mitgliedern von ‚Students for Palestine‘, die ebenfalls an der Burg studieren.“[21] Zum Verhängen der Graffiti führte die Hochschule in der Stellungnahme vom 15. Juli 2024 aus, „An der Hochschule werden grundsätzlich alle politischen Graffiti an den Außenfassaden entfernt oder vorerst überhängt.“ Die Meldestelle Antisemitismus RIAS Sachsen-Anhalt in Trägerschaft von OFEK e.V. ordnet SfP Halle in ihrem Jahresbericht 2024 dem „antiisraelischen Aktivismus“ zu.[22] Bei Versammlungen von SfP Halle wurde u.a. israelbezogener Antisemitismus verbreitet, Material mit antisemitischen Aussagen verbreitet, Israel als „Kindermörder“ bezeichnet und, „Mehrfach kam es auch kollektiv zum Skandieren von ‚Intifada‘ und ‚Intifada bis zum Sieg‘, also der Forderung nach terroristischen Aktivitäten gegen den Staat Israel und seine Zivilbevölkerung. […] Von den Demonstrationsteilnehmer:innen kam es auf der Demonstration sowie im Umfeld zu mehrfachen Gewaltandrohungen in Verbindung mit antisemitischen und sexistischen Beleidigungen gegen Gegendemonstranten und Unbeteiligte. So wurden Personen unter anderem mehrfach als ‚Scheiß Juden‘ beschimpft, ihnen wurde gedroht, man würde ‚sie kriegen‘, und teilweise mussten einzelne Demonstrationsteilnehmer:innen durch Umstehende davon abgehalten werden, diese Gewaltandrohungen in die Tat umzusetzen.“[23] Nach Angaben des JuFo stand SfP Halle am 05. Juli 2024 Technik des Stura BURG für eine israelfeindliche Versammlung zur Verfügung.[24] Der Studierendenrat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hingegen distanzierte sich öffentlich von SfP Halle.[25] Zudem soll ein Versammlungsleiter von SfP Halle an einer BURG-internen Veranstaltung zur Situation u.a. in Israel und Gaza als Teil einer, laut Rektorin, Gruppe „handverlesener Gäste“, teilgenommen haben, so das JuFo.[26] Mitgliedern des JuFo soll dagegen die Teilnahme versagt worden sein.[27]
Gewalt bei der Jahresausstellung 2024
Weiterhin kam es bei der Jahresausstellung am 13. Juli 2024 zu einem gewalttätigen Vorfall, zu dem verschiedene Schilderungen vorliegen. Nach Angaben des „Bündnis gegen Antisemitismus Halle“ (BGA) soll es zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung über ein „antisemitisches Kleidungsstück“ am Design-Campus gekommen sein, danach zu einem „heftigen Angriff durch das Sicherheitspersonal“.[28] Dazu schrieb das BGA, „Völlig ohne Not schlug ein Mitarbeiter einem Beteiligten, der sichtbar einen Davidstern als Tattoo trug, ohne vorherige Ansprache sofort mit versierten Faustschlägen auf den Kopf, warf ihn zu Boden und würgte ihn bis er blau anlief. Selbst als der um Luft ringende fast das Bewusstsein verlor, ließ der Angreifer nicht von ihm ab. Nur durch Einwirken anderer konnte der Angreifer gestoppt werden. Der Geschädigte erlitt mehrere Verletzungen und wurde im Krankenhaus notfallmedizinisch behandelt. Die Verantwortlichen der Burg riefen ihrerseits die Polizei und behaupteten fälschlicherweise, der Angegriffene habe zugeschlagen, worauf dieser einer polizeilichen Maßnahme zugeführt wurde. Noch bevor die Polizei eintraf, verschwand der Angreifer.“[29] Die Kunsthochschule hingegen schildert den Vorfall in ihrer bereits erwähnten Stellungnahme vom 15. Juli 204 umgekehrt: „Am Samstag, 13. Juli 2024, gegen 17 Uhr wurde auf dem Campus Design am Neuwerk 7 vor der Hauptbühne bei der Bibliothek einem Besucher der Jahresausstellung eine Kufiya gewaltsam entrissen. Zudem schlug der Angreifer die junge männliche Person mit einem Faustschlag ins Gesicht nieder. Durch ein schnelles Eingreifen eines Unbeteiligten erfolgte Nothilfe, um die Gefahr für den Verletzten abzuwenden und die Personalien des Täters aufnehmen zu können.“[30] Das JuFo kritisierte, die BURG habe ihre Darstellung des Vorfalls per Mail am 16. Juli 2024 an alle Studierenden der Hochschule versandt und erst im Anschluss an diese Schilderung um Hinweise gebeten.[31]
Weiterhin gibt das JuFo an, sich mit Mitgliedern am Tag des Vorfalls – der Schilderung eines antisemitischen Angriffs folgend – mit einem Zeugen auf dem Gelände der BURG getroffen zu haben, um dort weitere Zeug*innen für eine Strafanzeige zu finden. Dazu schrieb das JuFo, „Doch hierzu hatten wir kaum Gelegenheit. Wir wurden schnell von Mitgliedern von SfP Halle erkannt und verfolgt, […] Eine Gruppe von ungefähr 10 Leuten verfolgte uns fotografierend und filmend über den Campus. […] informierten sie zudem die Security. Der Zeuge des Vorfalls erkannte den mutmaßlichen Angreifer unter den Personen, die am Eingang standen. Aus Angst um unsere eigene Sicherheit sahen wir uns gezwungen den Campus zu verlassen. Kurz darauf, als wir Anzeige erstatten wollten, war die Person nicht mehr auffindbar.“[32] Nach Schilderungen des JuFo sollen Teil der Gruppe aus ungefähr zehn Personen auch ein Prorektor der BURG sowie ein Teil des Awareness-Teams der Jahresausstellung gewesen sein. Da der mutmaßliche Täter erkannt worden sein soll, habe der inzwischen aus dem Krankenhaus entlassene und ebenfalls vor Ort anwesende Geschädigte die Polizei gerufen, um Strafanzeige zu erstatten.[33]
Die BURG gibt an, in der Nacht hätten Personen, die zuvor schon im Zusammenhang mit dem gewalttätigen Vorfall – der Schilderung eines Angriffs auf eine Person mit Kufiya folgend – aufgefallen sein, wiederholt versucht, den Design-Campus zu betreten. Ihnen sei kein Zutritt gewährt worden.[34]
Jahresausstellung 2025
Bei der Jahresausstellung am 11. und 12. Juli 2025 brachten zahlreiche Studierende der BURG an ihren ausgestellten Werken Schilder an mit der Aufschrift, „Art is never neutral. Therefore I use my voice as an artist to speak out against the genocide that the state of Israel ist commiting in Gaza right now. To the artists in Palestine who are not allowed to breathe, to speak, to fight or create: We see you, we hear you. No freedom without you.“ (entsprechende Bilder liegen der Fragestellerin vor). Bei der öffentlichen Modenschau anlässlich der Jahresausstellung liefen zahlreiche Models zum Abschluss mit Kufiya über den Laufsteg.[35] Die Kufiya, oft auch als „Palästinensertuch“ bezeichnet, „gilt als Symbol des ‚palästinensischen Widerstands‘ und ist eng mit dem Terror gegen Juden verknüpft.“[36] Zudem wurde von Studierenden ein Flugblatt an die Gäste der Modenschau verteilt, in welchem u.a. zu lesen ist, „Wir sind eine Gruppe Studierender der Modeklasse und nutzen unsere Werkschau, um uns gegen den Genozid in Palästina auszusprechen“, sowie, „Palästinenser*innen in Gaza und der Westbank leben seit Jahrzehnten unter Apartheid und Besatzung. Der israelische Staat mit seiner zionistischen Ideologie zielt darauf ab, ihre kulturelle Identität zu zerstören und sie aus ihrer Heimat zu vertreiben.“[37] (Aufnahmen des Flugblatts liegen der Fragestellerin vor). Die Hochschulleitung der BURG teilte online mit, „Grundsätzlich bewerten wir die Kleidung von Studierenden nicht – weder in Bezug auf konkrete Muster noch hinsichtlich möglicher politischer Aussagen. Eine Ausnahme bilden Darstellungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu.“[38] Bei der Modenschau wurden nach Angaben der BURG u.a. 16 Abschlussarbeiten dem Publikum und einer Jury gezeigt.[39] Vierzehn Tage nach der Modenschau veröffentlichte die Mitteldeutsche Zeitung die schriftliche Beantwortung von Fragen durch Hochschulleitung der BURG (ein Gespräch wurde nach Angaben der Zeitung verweigert), wobei diese mit Blick auf das bei der Modenschau verteilte und in Teilen antisemitische Flugblatt ausführte, „Die Verteilung des Flugblattes erfolgte ohne Wissen und Zustimmung der Hochschulverantwortlichen und wird nun aufgearbeitet. Es muss zudem geprüft werden, ob das Flugblatt antisemitische Inhalte enthielt.“[40]
Am Campus Kunst wurde bei der Jahresausstellung auch ein großes, in Teilen mit einer Palästina-Fahne besprühtes Relief ausgestellt, wie u.a. vom BGA veröffentlichte Bilder zeigen.[41] Auf zwei Holzstücken am Werk waren drei Namen (wohl der Künstler*innen) sowie „o.T. 2025 [für „ohne Titel – Anm. d. Fragestellerin]“ zu lesen. Auf einem an dem Relief befestigten, roten Tuch war die Aufschrift, „!NUR! INDEM WIR UNSERE PRIVILEGIEN KRITISCH NUTZEN; WIRD ES FÜR MARGNIALISIERTE PERSONEN SICHERER! Wir gehen Risiken ein & erleben systematische Gewalt, das ist nicht Wohlstandssoli [Schreibweise d. Originals übernommen – Anm. d. Fragestellerin]“ angebracht (Aufnahmen liegen der Fragestellerin vor). Das BGA erkannte in dem Relief eine antisemitische „Judensaudarstellung“.[42] Frontale Aufnahmen des Reliefs zeigen in der linken, oberen Ecke Formen, die als zwei Menschen interpretiert werden können. Im Mittelpunkt des Reliefs steht die – sich über den größten Teil des Reliefs erstreckende – Palästina-Fahne, die eine größere, aus dem Relief hervortretende Form zur Hälfte von links umschließt. Bei Betrachtung frontaler Aufnahmen bzw. des Werks im Original erkennen Beobachter*innen hier teils einen nach links oben schauenden Schweinekopf (Rüssel ragt über das rote Dreieck der Fahne); nach unten und seitlich ragen zwei längere, schmale Formen, von denen eine nicht besprüht ist und als Gegenstand gesehen werden kann, der in die Fahne sticht. Die BURG teilte dazu mit, es handle sich um „ein studentisches Kunstwerk von 2024, das im letzten Jahr bereits auf der Jahresausstellung zu sehen war. Es ist ein abstraktes Relief o.T. (ohne Titel) eines Studierenden der BURG. Es enthält als solches keine figurativen Motive, die genaue Form ist aus einem plastischen Prozess entstanden, dessen Ergebnis eben genau nicht eindeutig lesbar sein soll. Ein solches Vorgehen schließt natürlich die Möglichkeit ein, Dinge hinein zu lesen, vom Künstler intendiert ist aber ausdrücklich kein einziges figuratives Motiv. Die Besprühung mit Farbe kam in diesem Jahr neu hinzu, der Künstler will damit seine Empathie mit der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen zum Ausdruck bringen, deren Leid ihn sehr beschäftigt.“[43] In einer Pressemitteilung vom 21. Juli 2025 gibt die Kunsthochschule an, es seien „Bisher unbekannte Hintergründe zum diskutierten Kunstwerk aufgetaucht“.[44] Die BURG führt aus, „Die betreffende Gips-Arbeit wurde, entgegen ursprünglicher Annahmen, bereits im Frühjahr 2023 konzipiert und realisiert, genauer: zwischen März und Juli. Die Hamas-Attacke auf Israel und […] waren da noch einige Monate entfernt. […] Eine inhaltliche oder gar politische Botschaft sei dabei weder formuliert noch angestrebt worden. Die Installation wurde schon auf den Jahresausstellungen 2023 und 2024 gezeigt. Im Laufe der Jahre hat sie sich aufgrund äußerer Einflüsse wie Regen und Wind auch immer noch verändert. Uns ist bewusst, dass der spontan zur Jahresausstellung 2025 aufgesprühte farbige Teil konkreter politisch gelesen werden kann. Der Künstler gibt dazu an, er habe damit das Leid der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen thematisieren wollen. Daraus ergibt sich aber nicht automatisch eine figurativ eindeutige Umdeutung des restlichen Werks.“[45] Mit der Pressemitteilung veröffentlichte die Kunsthochschule eine Reihe Aufnahmen des Werks. Während Aufnahmen früherer Stadien das gesamte Werk (auch frontal aufgenommen) zeigen, sind auf den Bildern zum aktuellen Zustand Details und seitliche Perspektiven zu sehen, nicht aber das gesamte Werk in Frontalaufnahme. Der Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt kritisierte in einer Pressemitteilung vom 20. Juli 2025, „Die Darstellung eines Schweinekopfs neben einer Palästina-Flagge auf dem Campus der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, mutmaßlich Teil einer studentischen Arbeit, hat tiefes Entsetzen und Besorgnis in der jüdischen Gemeinschaft ausgelöst. Ehrlich gesagt nicht nur Besorgnis, sondern auch richtig Angst. Wir wissen ganz genau, wohin der Hass führen kann […] Die Wiederverwendung solcher antisemitischer Bildsprache – gleich in welchem Kontext – ist inakzeptabel.“[46] Sollte sich der Bezug zu mittelalterlicher antisemitischer Schmähkunst bestätigen, stelle sich die Frage, warum dies unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit legitimiert werde.[47] „Auch die Freiheit der Kunst endet dort, wo sie die Würde anderer verletzt oder antisemitische Stereotype reproduziert“, schreibt der Landesverband der Jüdischen Gemeinden und, zum Ende seiner Pressemitteilung, „Die jüdische Gemeinde erwartet nicht Wohlwollen – aber Haltung. Nie wieder beginnt mit Klarheit. Nicht mit Relativierung.“[48] Für die BURG reagierte deren Rektorin auf die Kritik der Jüdischen Gemeinden, „Erzgräber bedauerte im Gespräch mit MDR Kultur, dass solche Sorgen entstanden sind. Sie mache aber auch die öffentliche Debatte verantwortlich, die einseitige Vorwürfe transportiert habe.“[49]
Strafanzeige nach öffentlicher Kritik
Während die Hochschulleitung der BURG mit Blick auf die Debatte über das Relief ausführte, Kunst müsse in ihren Kontexten wahrgenommen werden und, „Dazu gehört die Möglichkeit, sie verschieden zu interpretieren. Der Austausch darüber ist nicht möglich, wenn jede Interpretation automatisch zur Wahrheit erklärt wird“,[50] erstattete gleichzeitig die Kanzlerin der Kunsthochschule in Reaktion auf die öffentliche Kritik an Antisemitismus bei der Jahresausstellung Strafanzeige.[51] Laut Bericht des MDR „wegen übler Nachrede und falscher Tatsachenbehauptungen.“[52]
Initiative für einen „unabhängigen Ethikrat“
Zuletzt teilte die BURG mit, einen „unabhängigen Ethikrat“ gründen zu wollen, der sich „mit den besonderen Herausforderungen an Kunsthochschulen befasst, dort, wo Lehre, Forschung, Kunstproduktion und gesellschaftliche Verantwortung aufeinandertreffen. Die Initiative versteht sich als Beitrag zur Stärkung eines differenzierten öffentlichen Dialogs über Kunst und ihre Wirkung.“[53] Nach Angaben des MDR erwartet Rektorin Erzgräber auch, dass ein „unabhängiger Ethikrat“ in Zukunft verhindern solle, dass in der öffentlichen Debatte einseitige Vorwürfe transportiert würden.[54]
Die Antworten der Landesregierung
Halles Kunsthochschule BURG Giebichenstein ist eine der größten in Deutschland und von enormer Bedeutung für die Stadt. Die Arbeiten an der BURG sind wichtiger Bestandteil und Impuls gesellschaftlicher Diskurse und Entwicklungen. Gerade deshalb ist es notwendig, sich mit problematischen Vorgängen kritisch auseinander zu setzen. Denn: Die BURG hat ein Antisemitismusproblem.
In den letzten 2 Jahren fanden dort mehrfach Veranstaltungen statt mit Akteur*innen der antisemitischen BDS-Kampagne, oder die Israel mit Nazi-Deutschland vergleichen und den Terror der Hamas am 7. Oktober 2023 als „Gefängnisausbruch“ rechtfertigen. Die Uni Halle untersagte nach Hinweisen die Nutzung von Räumen, die BURG reagierte nicht. Auch im Alltag und bei den Jahresausstellungen 2024 und 2025 war Antisemitismus sichtbar – wenn man ihn denn sehen will. Plakate mit Stimmen jüdischer Überlebender des Anschlags vom 9. Oktober und ein Gedenkbanner wurden mit Pro-Palästina-Stickern überklebt. Zahlreiche Plakate und Aufsteller auf dem Designcampus brachten „Palästinasolidarität“ –zum Ausdruck. Oft in Form von Dämonisierung Israels und in der Verwendung antisemitischer Stereotype. Sie alle wurden auch im Rahmen der Jahresausstellung 2024 geduldet.
Während der lokale Ableger der „Students for Palestine“, die mehrfach Demos mit klar antisemitischen Parolen organisiert haben, von einer gemeinsamen Initiative von Studierenden der BURG und SfP spricht, tut die Hochschulleitung so, als hätten unbekannte Dritte sie platziert. Auf der Jahresausstellung der BURG 2025 liefen zahlreiche Models der Modenschau mit Kufiyah und es wurden Flugblätter mit teils antisemitischen Inhalten verteilt. Die Hochschulleitung wollte das nicht kommentieren, verwies konfrontiert damit auf die nicht vorhandene Strafbarkeit und wollte erstmal überprüfen, ob es sich tatsächlich um Antisemitismus handele.
Großes Engagement zeigte die Hochschulleitung dagegen, ein Graffiti „Antisemiten runter vom Campus“ mit enormen Aufwand und Eifer unsichtbar zu machen.
Zudem führte ein Relief, welches als Schweinekopf gedeutet werden kann neben einer Palästinaflagge zu einer Stellungnahme des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Sachsen-Anhalts, die nicht nur Besorgnis und Angst angesichts der antisemitischen Bildsprache zum Ausdruck bringt, sondern auch klar die Verantwortung der Hochschulleitung adressiert. Die BURG ordnet das als Ergebnis einer öffentlichen Debatte, die „einseitige Vorwürfe“ transportiert habe, ein. Zuletzt verkündete die BURG, einen „unabhängigen Ethikrat“ ins Leben rufen zu wollen – was genau der auf Basis welcher Expertise machen soll, bleibt unklar, aber auch hier hofft die Rektorin, dass damit „einseitige Vorwürfe“ abgewendet werden können.
Die Liste der Vorfälle und Stellen, an denen eine Hochschulleitung ein Problem erkennen könnte und müsste ist lang. Was wir erleben, ist aber Abwehr, Problemleugnung und Relativierung. Das wird weder dem Antisemitismusproblem noch der Verantwortung einer Hochschulleitung im Umgang damit gerecht.
Ich habe die Landesregierung mit 6 Kleinen Anfragen umfassend zur Situation an der BURG befragt – die Antworten sind ernüchternd. Sie lassen vermuten, dass Problemabwehr und Inszenierung als Opfer einseitiger Berichterstattung auch in Zukunft die Linie der Hochschulleitung sein werden.
Wer ein Problem nicht mal anerkennen will, ist nicht geeignet es aufzuarbeiten.
Antisemitismus an der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle - Teil 1/6 [55]
Antwort Landesregierung 20.10.2025, Drs. 8/6102
Antisemitismus an der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle - Teil 2/6 [56]
Antwort Landesregierung 16.10.2025, Drs. 8/6096
Antisemitismus an der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle - Teil 3/6 [57]
Antwort Landesregierung 20.10.2025, Drs. 8/6110
Antisemitismus an der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle - Teil 4/6 [58]
Antwort Landesregierung 20.10.2025, Drs. 8/6103
Antisemitismus an der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle - Teil 5/6 [59]
Antwort Landesregierung 20.10.2025, Drs. 8/6111
Antisemitismus an der BURG Giebichenstein Kunsthochschule Halle - Teil 6/6 [60]
Antwort Landesregierung 20.10.2025, Drs. 8/6112
Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden Sachsen-Anhalt hat am 20. Juli 2025 eine Stellungnahme unter dem Titel "Antisemitische Symbolik ist keine Kunstfreiheit" veröffentlich, die hier nachzulesen ist. [61]




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